Interview: Beate Berns
Michaela Mayr gehört zu den ersten Mitgliederinnen des Women’s Network Mallorca und leitet als stellvertretende Präsidentin gemeinsam mit Gisela Strnad und Gründerin Carmen Hinrichs das Women’s Network Mallorca. Darüber hinaus koordiniert sie die Yogagruppe des WNM. 2019 hat sie den Weg in die Selbstständigkeit gewagt und ihr Unternehmen Michaela Mayr Yoga | Art | Travel gegründet.
2019, kurz vor der Corona-Epidemie, hast Du die Michaela Mayr GmbH gegründet. Wie war Dein Weg zur Unternehmerin?
Das hat sich langsam über die Jahre entwickelt. Mit meiner Yogapraxis habe ich 2000 angefangen und dann 2003/4 mit einer vierjährigen Ausbildung zur Yogalehrerin begonnen. Ich habe dann Yoga unterrichtet und auch schon mal ein Retreat angeboten, aber habe mich nicht getraut, den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen. Ich hatte zwei kleine Kinder, mein Mann war selbstständig und ich dachte, einer muss den Laden zusammenhalten. Also habe ich meinen Teilzeitjob in der Reisebranche behalten und Yoga nebenher gemacht.
2009 habe ich die Michaela Mayr UG gegründet, mehr Retreats angeboten, aber das war nicht ausreichend, um davon meine Kranken- und Sozialversicherung zu bestreiten. Und mein Angestelltenjob hat mir auch Spaß gemacht. Ich war im Bereich Asien, Südamerika, Sardinien und Kreuzfahrten tätig, habe Reisegruppen begleitet, Gruppenreisen ausgearbeitet und neue Locations getestet. Ich hatte einen tollen Chef und immer sehr freie Hand.
Mit der UG habe ich mich langsam vorgetastet. Ich wollte nie Kleinunternehmerin sein, sondern richtig durchstarten, aber dazu fehlte mir (noch) der Mut. Dann habe ich durch Zufall bei einer Yogareise in Indien den Personalvorstand von BMW kennengelernt, der mich quasi vom Fleck Weg für Führungskräfteseminare, Yoga und Coaching, gebucht hat. Das war 2010. Das passte perfekt, weil ich zuvor eine zweijährige Ausbildung zum systemischen Coach absolviert hatte. Jetzt kam ich allmählich in die Bredouille: Musste Urlaub nehmen, auch unbezahlten, um die Seminare machen zu können, und mein Chef meinte, ich müsse jetzt entscheiden, was mir wichtiger ist. Das war ein großer Konflikt, aber ich konnte mich immer noch irgendwie durchlavieren.
2014 hatte ich einen persönlichen Bruch: Ich habe meinen Mann verlassen, bin nach Mallorca gegangen und habe mit ersten Yoga-Retreats auf der Insel begonnen. Aber ich hatte mir eine Hintertür offengelassen: Mein Chef hat mir meinen Arbeitsplatz für ein Jahr freigehalten.
Warum ist Deine Wahl auf Mallorca gefallen?
Eine Freundin lebte schon auf der Insel und mich hat es immer schon in den Süden gezogen. Ich fand den Winter in Deutschland kalt und dunkel. Mir war klar, hier werde ich nicht alt. Ich brauche Licht. Eine Freundin hat in Palma gelebt und es gab dort weitere Freundinnen, aber ich habe mir bewusst alleine eine Wohnung in Andratx gemietet, weil ich wissen wollte, packst du es oder packst du es nicht. Ich komme aus einem sehr behüteten Elternhaus und aus einer sehr behüteten ersten Ehe. Es war eine schöne und zugleich herausfordernde Zeit, in der ich aber Resilienz aufbauen konnte.
Aber Du bist nicht auf der Insel geblieben?
Nein, nach einem Jahr bin ich wieder zurück nach Deutschland, weil ich mir nicht sicher war. Meine Kinder hatten nach dem Abitur ein Auslandsjahr gemacht und kamen gerade wieder zurück. Also bin ich in meinen Job zurück und habe versucht, meine Ehe noch einmal zu retten. Aber das hat leider nicht funktioniert. Als meine Kinder dann ausgezogen sind und angefangen haben zu studieren, habe ich meine Sachen gepackt und bin nach München bzw. an den Tegernsee gegangen.
Hast Du den Absprung in die Selbstständigkeit dann gewagt?
Immer noch nicht. Ich habe Retreats in Bayern gemacht und Yoga unterrichtet, bin aber immer noch zweimal in der Woche zum Arbeiten an den Schliersee gefahren. Das war ziemlich stressig. Gekündigt habe ich erst 2018, aber am Tegernsee habe ich noch einmal für zwei Jahre in einem Reisebüro gearbeitet. Erst nach meiner Scheidung 2019 habe ich den Absprung in die komplette Selbstständigkeit gewagt. Ich habe gekündigt und meine UG in eine GmbH umgewandelt. Und dann kam Corona. Da war Resilienz gefordert. Aber ich habe mich nicht – und darauf bin ich heute noch stolz – von meinem Weg abbringen lassen.
Ich habe dann schnell umgeswitcht und Online-Yoga angeboten, jeden Tag. Und ich habe trotz Pandemie alle geplanten Retreats in Bayern durchführen können. Mit Maske, mit Abstand, mit ständigen Tests. Das war eine harte Zeit, weil man natürlich immer Angst hatte, dass sich jemand mit Corona infiziert und die Gruppe ansteckt. Auch finanziell war das schwierig. Und ich hatte kein zweites Standbein mehr. Die Reisebranche lag am Boden, dahin konnte ich nicht zurück.
Aber nach allem, was ich durchlebt hatte, erst meine sehr unschöne Scheidung, dann das Business komplett am Boden, da war mir klar, schlimmer kann es jetzt nicht mehr werden. Was soll mir noch passieren? Ich bin drangeblieben und habe ab Sommer 2021, als die Lage sich wieder etwas entspannt hatte, sehr viele Retreats in Bayern gemacht.
Zu der Zeit hast Du in Bayern gelebt. Wann hast Du Dich entschieden, Deinen Wohnsitz teilweise nach Mallorca zu verlegen?
Im Sommer 2016 habe ich meinen jetzigen Mann, Klaus, in München kennengelernt. Aber zu diesem Zeitpunkt wollte ich mich nicht auf jemanden festlegen. Ich war komplett auf meine Scheidung, meine Kinder und mein Business fokussiert. Und ich hatte einen Plan: Ich wollte im Süden leben. Klaus konnte sich das aber auch vorstellen. Im Sommer 2019 haben wir ein kleines Ferienhaus in Artà gekauft und im Dezember geheiratet. Corona war dann mit dafür verantwortlich, dass wir entschieden haben, wenigstens die Hälfte des Jahres auf Mallorca zu leben. Da ich komplett remote arbeite, war das für mich kein Problem und Klaus war in einem Alter, in dem er aus seinem Job aussteigen konnte. Wir haben das Ferienhäuschen verkauft und unser aktuelles Haus in Artà gekauft.
Hast Du schon während der Ferienhaus-Zeit Retreats auf Mallorca angeboten?
Ja, das Kloster San Salvador, mit dem ich schon lange zusammenarbeite, hatte während der Pandemie natürlich auch Schwierigkeiten mit der Öffnung, aber wir haben es immer wieder versucht und in Spanien waren die Regeln auch nicht so knallhart wie in Deutschland.
Wann bist Du nach dieser langen Anlaufzeit und der Pandemie richtig mit Deinem Yoga-Retreat-Business durchgestartet?
Das war 2022. Die Yoga-Retreats auf den Almen in Bayern habe ich ja immer schon gemacht, dann kam die Kombination Yoga und Coaching dazu und ich habe mein Angebot sukzessiv erweitert. Im vergangenen Jahr waren es 23 Retreats, von denen ich 21 selbst gehalten habe, in diesem Jahr sind es 35, von denen ich selbst 12 durchführe. Die anderen betreuen freie Yogalehrer, die auf Honorarbasis für mein Unternehmen arbeiten.
Loszulassen war für mich unglaublich schwierig. Meine Yogaschüler sind mir heilig und sie anderen Yogalehrern anzuvertrauen, fiel mir sehr schwer. Aber ich habe irgendwann gemerkt, dass ich das alles alleine nicht mehr leisten kann. Mein Mann, der in seinem Leben nichts anderes gemacht hat, als Unternehmen zu leiten, hat schließlich gesagt: »Du engagierst jetzt Yogalehrer! Wenn du möchtest, dass deine Firma wächst, musst du dich öffnen, sonst funktioniert das nicht.«
Ich habe meinen Firmennamen dann auf Michaela Mayr Yoga | Art | Travel erweitert. Jetzt bieten wir Retreats in Bayern, auf Mallorca und neuerdings auch an der Nordsee und auf Sri Lanka an.
Was ist das Besondere an den Michaela Mayr-Retreats?
Wir haben drei Säulen: Yoga & Gesundheit, Yoga & Bewegung und Yoga & Persönlichkeitsentwicklung. Bei Yoga & Gesundheit kombinieren wir Yoga mit Ernährung, bieten Hormon-Yoga oder auch Themen wie Yoga & Krebs an. Hier arbeite ich mit speziell ausgebildeten Yogalehrern und/oder einer Ernährungsberaterin. Yoga & Bewegung umfasst vor allem die Retreats in den Bergen, aber auch hier auf Mallorca wie z.B. das Retreat Yoga & Zumba. Die sind sehr beliebt und immer schnell ausgebucht. Bei Yoga & Persönlichkeitsentwicklung geht es neben Yoga um Kreativität, Stressmanagement oder Spiritualität. Im nächsten Jahr planen wir ein Retreat »Yoga & Astrologie & Mythologie«. Diese Retreats finden alle auf Mallorca statt, entweder im Kloster San Salvador oder auf einer Finca bei Artà. Sie richten sich an Menschen, die tiefer eintauchen und sich auch mit der Yoga-Philosophie auseinandersetzen möchten.
Meine liebsten Retreats sind die Meditation-Retreats, bei denen nicht gesprochen wird, und Yoga & Spiritualität. Zu diesen Retreats kommen in der Regel Menschen, die sich immer wieder mit sich auseinandersetzen, sich reflektieren und die sich auch mit der Yoga-Philosophie beschäftigen. Das ist für mich eine Energie- und Inspirationsquelle.
In den längeren Retreats bricht oft etwas auf, das ist teilweise sehr bemerkenswert. Dann ist es ein gegenseitiges Auffangen und wir haben den Anspruch, auch das zu leisten.
Es gibt ganz unterschiedliche Zielgruppen. Unsere Yogalehrer – ich natürlich auch – sind schon gefordert. In den Gruppen sind Anfänger, Fortgeschrittene, ganz unterschiedliche Persönlichkeiten. Wir brauchen viel Einfühlungsvermögen und Empathie, um uns auf die Teilnehmer einzustellen, auf den Einzelnen eingehen zu können. Gleichzeitig muss man aber auch die Gruppe zusammenhalten, Gruppendynamiken erkennen und auffangen. Das kann nicht jeder, und das unterscheidet den einen vom anderen Yogalehrer.
Nach welchen Kriterien wählst Du die Yogalehrer für die Retreats aus?
Ich arbeite nur mit sehr erfahrenen Yogalehrern, die eine lange Praxis und eine sehr gute Ausbildung haben, die das gut abfedern können. Ich nehme die Yogalehrer immer einmal mit zu einem meiner Retreats. Mich interessiert nicht, ob sie einen Kopfstand können, sondern wie sie mit den Menschen umgehen.
Ich sage ihnen immer: »Ihr müsst nicht performen. Ihr müsst nicht perfekt sein. Das schüchtert die Menschen ein.« Deshalb habe ich auf meiner Homepage auch keine perfekten Yogabilder von mir. Ich trage roten Lippenstift, ich will zeigen: Ich bin nicht die perfekte, schlanke Yogi-Dame. Ich trinke mit meinen Schülern abends auch mal einen Wein. Und meine Yogalehrer sind auch alle so, nicht asketisch und genussfeindlich. Das mögen die Menschen.
Du selbst hast ein sehr umfangreiches Ausbildungsprogramm von Yoga, Yoga- und Hypnotherapie über Coaching bis zur Heilpraktikerin psychotherapeutischer Ausrichtung absolviert. Hast Du das alles in Hinblick auf den Ausbau Deiner Firma gemacht? Mit dem Ziel, ein größeres Unternehmen zu gründen?
Ja, das war die Idee, auf jeden Fall. Ich will in den nächsten Jahren groß werden, aber das ist relativ und was heißt schon groß. Ich möchte zu einer guten Adresse in Deutschland werden. Dass man weiß, dass Michaela Mayr Yoga | Art | Travel für Qualität steht. Dass wir kein Lifestyle-Yoga anbieten, sondern »tiefer bohren«. Das ist mein Anspruch und mein Ziel.
Ich weiß, dass ich vielen Menschen helfen kann. Natürlich nur denen, die sich helfen lassen und dazu bereit sind, eine Persönlichkeitsentwicklung durchzumachen. Yoga ist Persönlichkeitsentwicklung und kann für viele Menschen eine Transformation sein. Mein Business ist sinnerfüllt und nachhaltig. Meine Arbeit kann vielen Menschen helfen, ein erfüllteres Leben zu führen.
Was würdest Du aus Deiner Erfahrung heraus jemandem raten, der etwas ganz Neues machen möchte, ein Unternehmen gründen oder was auch immer, egal ob groß oder klein?
Du brauchst einen ganz klaren Plan und darfst auf keinen Fall blauäugig sein. Du brauchst einen Businessplan und musst dich klar strukturieren. In einem Angestelltenverhältnis ist die Struktur vorgegeben, im eigenen Unternehmer musst du sie selber schaffen. Und du musst lernen, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.
Wichtig ist auch, sich immer wieder Rat von Experten zu holen. Du brauchst jemanden an deiner Seite, einen Mentor, der dir Tipps gibt, damit du nicht zu viele Fehler machst. Du kannst dir als Unternehmer schon mal einen Fehler erlauben, aber nicht zu oft. Expertenrat ist wichtig, aber man darf sich auf keinen Fall von Meinungen beeinflussen lassen. Jeder hat eine Meinung, aber nicht unbedingt Ahnung.
Und man muss die Angst vor Konflikten ablegen. Es gibt unangenehme Situationen, schwierige Gespräche. Das muss man aushalten können. Das musste ich auch erst lernen.
Dann darf man sich nicht einschüchtern lassen und nicht aufgeben, wenn der Weg mal steinig wird. Man muss sich immer wieder neu ausrichten. Ein Unternehmen ist kein starres Gefüge, sondern verändert sich kontinuierlich.
Und last, but not least: Du musst dich auf dich verlassen können. Du musst dir selber vertrauen.
Ich glaube, dass es so etwas gibt wie ein Unternehmer-Gen. So wie es künstlerische Begabung gibt, gibt es meiner Meinung nach auch eine Begabung für das Unternehmertum. Es ist wichtig zu erkennen, ob man die hat.
Ja, auf jeden Fall. Außer Selbstbewusstsein und -vertrauen muss man sich sehr gut kennen, um sich richtig einschätzen zu können. Wissen, was man sich selbst zumuten kann. Man muss ehrlich zu sich sein und sich fragen, ist das jetzt nur die Angst vor der Herausforderung oder kann ich es wirklich nicht.
Mein höchster Wert ist Freiheit, nicht Sicherheit. Wenn ich auf meine Eltern gehört hätte, würde ich heute noch in Augsburg sitzen, wäre noch immer angestellt, heute noch mit meinem ersten Mann verheiratet und nie nach Mallorca gegangen.
Im Yoga versuche ich Frauen auch zu vermitteln: Wir sind viel mehr als die Frau von oder die Angestellte von. Wir haben viel mehr in uns. Und ich bin stolz, dass es einige Frauen gibt, die nach einem Coaching oder einem Yoga Retreat berichten: Ich habe echt noch einmal richtig Gas gegeben. Ich habe meine Träume verwirklicht. Manche haben ihr Leben noch einmal ganz neu auf die Beine gestellt. Und das erlebe ich nicht nur einmal, das erlebe ich ganz häufig. Man kann viel schaffen, nicht alles, aber viel, wenn man an sich glaubt. Das zu vermitteln, ist auch meine Intention in den Retreats. Und deshalb engagiere ich mich auch im WNM. Und ich bin Carmen wirklich dankbar für ihre Initiative, das Netzwerk zu professionalisieren und zum Business-Netzwerk auszubauen.
In welche Richtung soll sich das Network Deiner Meinung nach entwickeln? Könntest Du Dir vorstellen, Gründerinnen und Jungunternehmerinnen mit einem Mentoring-Programm zu unterstützen?
Unbedingt! Ich hätte gerne noch mehr Unternehmerinnen im Netzwerk, die Mentorinnen sein könnten. Auch ich selbst hätte gerne eine erfahrene Unternehmerin im Netzwerk, die für mich Mentorin wäre und von deren Erfahrung ich – und natürlich auch die anderen Mitgliederinnen – profitieren könnte. Ich finde es gut, dass wir das Netzwerk jetzt auch in Palma etablieren und noch mehr unternehmerisch tätige Frauen für das WNM interessieren können, die Vorbilder sein können. Man braucht Vorbilder.